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Was machen Druckerei-Sachverständige?
Prof. (l1) Ing. Mag. Fritz Blanka (im Bild links, © Froschauer) ist seit 30 Jahren als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für das Druckereiwesen tätig. Ein Einblick ist diese wenig bekannte Tätigkeit – ein Beitrag von Fritz Blanka.
Der Druckerei-Sachverständige – das (un)bekannte WESEN
Nach mehr als 50 Jahren Branchenerfahrung im graphischen Gewerbe und knapp 30 Jahren als „Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für das Druckerei-WESEN und sonstige graphische Arbeiten“ ist es vielleicht für geschätzte Leser interessant, einen Einblick in die Tätigkeiten eines „Druckerei-Sachverständigen“ inform eines Erfahrungsberichts zu bekommen.
Ich werde öfters gefragt:
Was macht ein Druckerei-Sachverständiger? Wofür werden Gutachten in Auftrag gegeben?
Gemeint ist in diesem Zusammenhang natürlich ein Druckerei-Sachverständiger – keiner, der für Luftdruck, Druckmessung etc. zuständig ist: Daher heißt es in der Justiz-Nomenklatur des SV-Verzeichnisses korrekterweise „… DruckereiWESEN und sonstige graphische Arbeiten“. Es beinhaltet somit die Tätigkeiten der Grafik, den gesamten Druck(herstellungs)bereich und die dafür notwendigen Maschinen und Anlagen.
Darüberhinaus wird in Gerichts- und sogenannte Privatgutachten – je nach Auftraggeber – unterschieden und in technische und kaufmännische Fragestellungen.
Gerichtsgutachten
Im Folgenden eine Übersicht nach Fragegebieten:
Technische Fragestellungen | Gutachtenanzahl
- Grafik, Datenerstellung, Druckvorstufe | 13
- Färbigkeit (Farbabweichungen im Druck) | 6
- Qualitätsbeurteilungen an fertigen (Druck)Produkten | 31
- Maschinen und Anlagen | 4
- Sonstige (Produktionsablauf, Branchenkenntnisse, Kunstdruck) | 4
Summe der schriftlichen Gerichtsgutachten | 58
Die überwiegende Anzahl der Gerichtsgutachten beziehen sich auf Fragestellungen hinsichtlich fertiger Druckprodukte, Teilleistungen, z. B. Grafikarbeiten, und in weiterer Folge ist die Beurteilung von Farbreproduktionen zwischen digitaler Daten(herstellung) und Druck relevant.
Beispiele dafür:
Entwurf und Grafikarbeiten (Layout, Design), Mängel von Rubbellosen, Farbwahl und Stellungsdesign eines Buchtitels, Logo-Aufdruck eines Textildrucks, Unterschiede zwischen Kopier- und Offsetdruckqualität, Farbbeständigkeit bedruckter Polystyroltafeln etc.
Bezüglich der „Maschinen und Anlagen“ beziehen sich die Fragestellungen auf technische Funktionsfähigkeiten, Beschädigungen, Restnutzungsdauer etc.
Kaufmännische Fragestellungen | Gutachtenanzahl
- Kalkulation von Druckprodukten | 7
- Preisbeurteilungen | 12
Summe der schriftlichen Gerichtsgutachten | 19
Es dürfte überraschen, dass sich etwa 25% aller Gerichtsgutachten auf kaufmännische Fragestellungen beziehen. Hintergrund ist die legitime Frage nach der “Ortsüblichkeit“ von Preisen – ex post. Dabei stehen Fragen der (Vor)Kalkulation und deren Aufbau, z. B. von Siebdruckarbeiten, Mailingdrucksorten, Änderungs- bzw. Mutationskosten, Beurteilung der Auftragsvergaben nach vertraglich festgelegten Kalkulationsvorgaben, Papierzuschussberechnung etc. im Vordergrund.
Im Gegensatz zu Kalkulationsfragen beziehen sich Preisbeurteilungen, z. B. Honorarpreise von Grafikarbeiten, Preise für Reproarbeiten und Filmbelichtungen, Klischeepreise, Auftragsvergabe von Drucksorten, Buchbindereileistungen etc., auch auf deren Leistungserstellung – zumeist bei fehlender, detaillierter Angebotslegung.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass diese „Streitsachen“ zumeist als Zivilprozess geführt werden, aber auch der Strafprozess, z. B. bei Urheberrechtsverletzung von Grafikleistungen, relevant ist.
Privatgutachten
Sowohl hinsichtlich der Anzahl als auch der Vielfalt der Fragestellungen sind die Privatgutachten wesentlich diffiziler, aufgrund unterschiedlichster Auftraggeber: Grafiker, Druckvorstufenbetriebe, Druckereien, Buchbindereien und deren Kunden, Werbeagenturen, Verlage, Versicherungen, Finanzierungsinstitute, Rechtsanwälte, Werbeagenturen etc.
Im Folgenden wiederum die Übersicht nach Fragegebieten – mit Ergänzungen zu oben:
Technische Fragestellungen | Gutachtenanzahl
- Grafik, Datenerstellung, Druckvorstufe | 13
- Färbigkeit (Farbabweichungen im Druck) | 17
- Qualitätsbeurteilungen an fertigen (Druck)Produkten | 65
- Maschinen und Anlagen | 12
- Sonstige (Produktionsablauf, Kennzeichen industrieller Fertigung, Qualitätsstandards, Zertifizierungen, Material- und Echtheitseigenschaften, AGB-, Kollektivvertrags- und Vertragsauslegung etc.) | 17
Summe der schriftlichen Privatgutachten | 124
Dieser Bereich ist gekennzeichnet durch die Vielfältigkeit der Fragestellungen: Während Gerichtsgutachten im Großen und Ganzen mit technischen Fragen konfrontiert sind, wünschen darüberhinaus „private“ Auftraggeber Lösungsvorschläge bzw. Lösungen für ihre Probleme.
Daraus ist erklärbar, dass diese auch grundsätzlich branchenspezifische Themen berühren: Auslegung und Anwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, des graphischen Kollektivvertrags etc., also auch rechtliche Fragestellungen, die bei Gerichtsaufträgen nur tangential von Bedeutung sind.
Kaufmännische Fragestellungen | Gutachtenanzahl
- Kalkulation von Druckprodukten | 11
- Preisbeurteilungen | 5
- Maschinen, Anlagen, Lagerbestände etc. – Bewertungen | 43
- Sonstige (Mehrkostenverrechnungen, Autorenhonorare, Produktionsausfall, Benützungsentgelt etc.) – Bewertungen | 6
Summe der schriftlichen Privatgutachten | 65
Es ist bemerkenswert, dass sich etwa ein Drittel der Privatgutachten ausschließlich auf kaufmännische Fragestellungen bezieht, wobei Bewertungen für diverse Anforderungen im Vordergrund stehen.
Zusammenfassung
Ziel dieses Fachbeitrags ist es, einen differenzierten Überblick der Gutachtenstätigkeit eines „Allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen für das DruckereiWESEN und sonstige graphische Arbeiten“ anhand eines Erfahrungsberichts aus einer beinahe 30-jährigen Tätigkeit zu geben.
Die Anzahl der Gerichtsgutachten beträgt 77, die der sogenannten Privatgutachten 189, wobei naturgemäß technische Fragestellungen 75 % bzw. 66 % im Vordergrund stehen; kaufmännische sind – vor allem bei Privatgutachten – an Bedeutung und Umfang besonders relevant.
Abschließend soll erwähnt werden, dass es grundsätzlich sinnvoll ist, bei Streitfällen rechtzeitig auf Sachverständige zurückzugreifen – in Österreich sind aktuell 12 „Drucksachverständige“ in der Justiz-Nomenklatur unter „Kunst, Antiquitäten (Produktion, Verwertung, Handel)“, www.justiz.gv.at jederzeit „abrufbar“.
Foto © KiTO, Michael Baumgartner; Froschauer